Der Schweiger Sepp |
Der Sepp zerstochert mit dem Schürhaken die
wenige Glut des Reisigbuschfeuers im gekachelten Sesselherd. Dann kramte
er aus der Schublade, der halb in die Wand eingebauten Anrichte, seine
Schwarzpulverpatronen zusammen. "Die reichen für heut`", sagte der an
Selbstgespräche gewöhnte Einspänner zu sich und ließ deren zwanzig in die
tiefen Taschen seines Mantels rollen. Farbe, Schnitt und Verschleiß dieses
abgetragenen Stücks ließen die Vermutung wach werden, es stamme noch aus
Heeresbeständen des Weltkrieges. Den gleichen Schluss ließen auch seine
kurzgeschäfteten Stiefel zu. Es war daher nicht so abwegig, in dieser
Montur den Dank eines ohnmächtig darniederliegenden Vaterlandes zu
erkennen, der dem Schweiger Sepp im Winter 1918 wie hunderttausenden
anderen für vier Jahre Frontdienst auf diese Weise abgestattet worden war.
Auf dem schmalen Bord über der niedrigen Stubentür waren rote Äpfel
aufgereiht, davon steckte er sich einen zu und griff sich die langläufige
Doppelflinte aus der derb verbretterten Wandnische. Die um die Füße
maunzende Katze verwies er mit der Mahnung zum Mäusefangen in den
Schuppen, während es der schon etwas abgeklärte Wachtelhund-Bastard
selbstverständlich fand, wie jeden Tag auch heute mitkommen zu dürfen.
Nach einem besinnlichen Blick zum Herrgottswinkel blies der Sepp die
Petroleumlampe aus und versperrte die schwere Haustür. Über ihr verlief
bei der herkömmlichen Bauweise der Jurahäuser als Abschluss das
spannenhohe, die ganze Türbreite einnehmende Oberlicht, das den Hausflur
erhellt und zudem während des Sommers den hurtigen Hausschwalben Einlass
zu ihren Nestern im Fletz gewährt. Dort hinterlegte der arg- und sorglose
Frühaufsteher den gewichtigen Hausschlüssel. Beim Nachbarn wusste man
Bescheid über die heute ganztägige Abwesenheit des Flurers, was ohne viel
Redens auch einschloss, dass jemand tagsüber ein paarmal nach dem Rechten
sah.
Der Schweiger stapfte durch den lockeren Schnee
zum Dorfausgang, wo verabredungsgemäß der Korl Sepp auf ihn wartete. Der
paffte schon mächtig aus seiner halblangen Rehkronenpfeife mit dem bunten
Porzellankopf, was den Ankömmling veranlasste, sich mittels eines
"Kochers" gleicher Bauart ebenfalls unter Dampf zu setzen. Ihr
persönliches Verhältnis war geprägt von dem Miteinanderleben im Dorf, von
gemeinsamen Frohsinn und Sangeslust, allerdings mit dem Unterschied
zwischen Abgeklärtheit des Schweiger und dem übersprudelnden Temperament
des anderen, was - wie man noch hören wird - in puncto puncti in ihrer
ganzen Gegensätzlichkeit zutage trat.
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